Kaum ein Bereich des Sexualstrafrechts hat sich in den letzten Jahren so dynamisch verändert wie das Verbot des Besitzes, der Verbreitung und der Herstellung kinderpornografischer Inhalte. § 184b StGB steht dabei im Zentrum zahlreicher gesetzlicher Reformen, die auf gesellschaftlichen Druck, mediale Aufmerksamkeit und technische Entwicklungen reagierten. Als Fachanwalt für Strafrecht mit Schwerpunkt im Sexualstrafrecht beobachte ich diese Entwicklung seit vielen Jahren – und sehe, welche massiven Auswirkungen sie auf Betroffene hat.
Gesellschaftlicher Hintergrund und rechtspolitische Motivation
Der Umgang mit sogenannten kinderpornografischen Inhalten ist seit Jahrzehnten Gegenstand intensiver rechtspolitischer Debatten. Während früher vor allem die Verbreitung und gewerbliche Herstellung im Fokus standen, hat sich die rechtliche Bewertung in den letzten Jahren erheblich verschärft. Die Digitalisierung und die rasante Verbreitung von Bildern und Videos über soziale Netzwerke, Messenger-Dienste und Cloud-Speicher führten zu einer Ausweitung des Tatbestands.
Besonders seit den öffentlichkeitswirksamen Fällen wie dem „Fall Edathy“ oder „Fall Metzelder“ hat der Gesetzgeber reagiert – oft mit drastischen Verschärfungen des Strafrahmens. Ziel war es, ein deutliches Signal gegen jede Form sexueller Gewalt an Kindern zu setzen. Doch die Folgen für Beschuldigte, insbesondere für Ersttäter ohne pädophile Neigung, sind erheblich.
Frühe Regelungen und erste Verschärfungen
Ursprünglich fand sich der Straftatbestand der Kinderpornografie im früheren § 184 Abs. 3 StGB. Der Strafrahmen lag deutlich niedriger als heute: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu maximal 2 Jahren zur Bewährung für den Besitz waren üblich. Gleiches gilt für Einstellungen des Verfahrens gegen Geldauflagen. Das Strafrecht unterschied lange Zeit zwischen „harten“ und „weichen“ Inhalten, also zwischen eindeutig sexuellen Handlungen und bloß aufreizenden Darstellungen.
Mit der Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 2008 wurde der Straftatbestand in den eigenständigen § 184b StGB überführt. Der Gesetzgeber wollte damit den besonderen Unrechtsgehalt kinderpornografischer Inhalte hervorheben. Gleichzeitig wurde der Begriff „pornografische Darstellung“ weiter gefasst und der Besitz bereits digitaler Kopien – also auch auf Smartphones oder Cloud-Diensten – ausdrücklich erfasst.
Der große Wendepunkt: Die Reform 2021
Eine der tiefgreifendsten Änderungen erfolgte im Jahr 2021. Nach mehreren medialen Skandalen und der Forderung nach schärferem Vorgehen gegen sexualisierte Gewalt an Kindern erhöhte der Gesetzgeber den Strafrahmen drastisch.
Bei dieser Reform wurde § 184b StGB als Verbrechenstatbestand geführt. Das bedeutete: Die Mindeststrafe lag bei einem Jahr Freiheitsstrafe, selbst beim bloßen Besitz eines einzigen kinderpornografischen Bildes. Geldstrafen waren danach ausgeschlossen. Der Höchststrafrahmen reichte bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, je nach Schwere der Tat und Anzahl der Dateien.
Diese Einstufung hat weitreichende Konsequenzen. Sie verändert nicht nur die mögliche Strafhöhe, sondern auch den gesamten Verfahrensverlauf. Staatsanwaltschaften sind verpflichtet, Verfahren einzuleiten; Einstellungen sind nur noch in Ausnahmefällen möglich. Eine Verteidigung auf Bewährungsstrafe oder Einstellung wegen Geringfügigkeit ist dadurch erheblich erschwert worden.
Kritische Stimmen und praktische Probleme
Die Reform von 2021 stieß in der Fachwelt auf deutliche Kritik. Viele Juristen, Strafverteidiger und auch Richter wiesen darauf hin, dass die pauschale Einordnung als Verbrechen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gefährde.
In der Praxis betrifft § 184b StGB nicht nur Täter mit pädophiler Neigung, sondern auch Jugendliche oder junge Erwachsene, die über Messenger unbedacht Bilder weiterleiten. Auch Fälle von sogenannten „Beifang-Dateien“, also automatischem Herunterladen in Messenger-Gruppen oder Cloud-Backups, führen regelmäßig zu Ermittlungen.
Durch die Mindeststrafe von einem Jahr drohen selbst in solchen Fällen gravierende Konsequenzen: Eintrag ins Führungszeugnis, Verlust des Berufs, öffentliche Stigmatisierung und oft existenzielle persönliche Krisen.
Erneute Reform 2024 – Entschärfung bei der Mindeststrafe
Nachdem der Gesetzgeber erkannte, dass die im Jahr 2021 eingeführte Gesetzesverschärfung doch „über das Ziel hinausging“ wurde die Vorschrift des § 184b StGB im Jahr 2024 wieder entschärft -wobei die Mindeststrafen gleichwohl noch ganz erheblich sind. Für den Besitz von 1 Bild liegt die Mindeststrafe demnach bei 3 Monaten, für die Verbreitung sind es 6 Monate.
Über Sondervorschriften können diese Mindeststrafen -je nach Fallkonstellation- teilweise auch in Geldstrafen oder Auflagen „umgewandelt“ werden. Das ist zwar nicht der Regelfall aber immerhin überhaupt wieder möglich. Gleiches gilt für die Erledigung des Verfahrens im Wege eines Strafbefehls, also einer Art schriftlichem Verfahren zur Verhinderung einer öffentlichen Hauptverhandlung.
Ermittlungsverfahren und Verteidigungspraxis
In meiner täglichen Arbeit als bundesweiter Strafverteidiger erlebe ich, wie stark Betroffene von Ermittlungen nach § 184b StGB betroffen sind. Hausdurchsuchungen, Beschlagnahme von Computern und Mobiltelefonen, Verhöre durch spezialisierte Kommissariate – all das geschieht häufig, bevor der Beschuldigte überhaupt versteht, worum es geht.
Gerade in der Anfangsphase ist eine frühzeitige anwaltliche Beratung entscheidend. Viele Mandanten machen aus Schock oder Unwissenheit Aussagen, die später kaum zu korrigieren sind. Ich lege Wert darauf, frühzeitig Einsicht in die Ermittlungsakte zu erhalten und die tatsächliche Beweislage zu prüfen. Auch sollte der eigene Mandant rasch aus der Kommunikationsschiene mit Polizei und Staatsanwaltschaft genommen und vielmehr die Rechtsanwaltskanzlei als Ansprechpartner benannt werden.
Warum Spezialisierung entscheidend ist
Das Sexualstrafrecht, insbesondere der Bereich der Kinderpornografie, verlangt präzises juristisches Wissen und Erfahrung im Umgang mit sensiblen Beweisen. Ein unsachgemäßer Umgang mit Ermittlungsbehörden kann das Verfahren irreparabel belasten. Als Fachanwalt für Strafrecht mit über 20 Jahren Erfahrung und Spezialisierung auf Sexualstrafrecht kenne ich die typischen Fehler, die Beschuldigte machen – und wie sie zu vermeiden sind.
Ziel meiner Verteidigung ist es stets, eine Hauptverhandlung möglichst zu verhindern und eine frühzeitige Einstellung zu erreichen. Wo das nicht gelingt, arbeite ich auf Schadensbegrenzung hin, etwa durch günstige Strafzumessung oder Bewährungsstrafen.
Fazit
Die Entwicklung des Strafrahmens bei § 184b StGB zeigt eindrucksvoll, wie stark gesellschaftliche und politische Dynamiken das Strafrecht prägen können. Aus einem vergleichsweise milden Delikt wurde in wenigen Jahren ein „Verbrechen“ mit existenziellen Folgen – und dann erneut ein „Vergehen“ mit allerdings weiterhin deutlichen Strafandrohungen. Diese Entwicklung verlangt von der Verteidigung höchste Sorgfalt, technisches Verständnis und psychologische Sensibilität.
Wenn Sie vom Vorwurf einer Straftat nach § 184b StGB betroffen sind, sollten Sie keine Zeit verlieren. Als erfahrener Fachanwalt für Strafrecht stehe ich Ihnen mit meiner Spezialisierung im Sexualstrafrecht zur Seite.